Jahresrückblick 2016

Das Jahr aus der Kunststoff-Perspektive


Das Jahr 2016 liegt fast hinter uns. Mit Ereignissen, Bildern und Emotionen von Automobilbau bis Recycling, vom Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union über die "K" bis zur Wahl von Donald Trump als US-Präsident. Zu allen wichtigen Themen hat KI wieder zuverlässig Marktinformationen und Hintergründe aus der Kunststoffwelt geliefert, dazu Meinungen und Glossen.

Exakt 2.432 Berichte hat die KI-Redaktion während der zurückliegenden 50 Wochen für Sie geschrieben. Diese Arbeit teilt sich auf in 1.368 Unternehmensnachrichten, 293 Preisberichte und 184 Marktüberblicke. Hinzu kommen 340 Grafiken und unzählige Bilder. Dabei ist die Berichterstattung in "K-AKTUELL", der offiziellen Messezeitung der "K 2016" noch nicht einmal mitgerechnet, die ein neuer Meilenstein für unser Team war.

Für Sie haben wir die herausragenden Augenblicke des Jahres zusammengestellt. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und lassen Sie sie in Ruhe Revue passieren. Atmen Sie durch, für das nächste Jahr, wenn wir uns wiedersehen.

K 2016: Größte Kunststofffabrik der Welt


Einen geradezu überwältigenden Erfolg verbuchte die "K 2016" im Oktober. Es kamen 232.000 Besucher an den acht Messetagen der dreijährlichen Weltleitmesse nach Düsseldorf. Der Anteil der internationalen Interessenten legte dabei nochmals auf nun 70 Prozent zu. Die 3.285 Aussteller zeigten sich hochzufrieden, bisweilen sogar enthusiastisch. "Das war die aufregendste ,K', die ich je erlebt habe", bilanzierte K-Präsident Ulrich Reifenhäuser.

Der Erfolg untermauert die einzigartige Stellung der K für die Branche, in der sich die Verfassung der globalen Industrie spiegelt, und von der entscheidende technologische und wirtschaftliche Innovationsimpulse ausgehen. Das beherrschende Thema der Messe war Flexibilität - ob bei Rohstoffen, Maschinen ("Industrie 4.0") oder in der Verarbeitung. Die K 2016 könnte aus vielerlei Gründen als Meilenstein in die Industriegeschichte eingehen.

K-AKTUELL: Offizielle Messezeitung zur K 2016


Mit der K 2016 hat auch die KI Group ein neues Level erreicht. Zu dieser K-Messe haben die kombinierten Redaktionen von KI und K-PROFI erstmals die offizielle, tägliche deutschsprachige Messezeitung unter dem Titel "K-AKTUELL" produziert.

Alle Ausgaben zum Download oder ePaper
"A Chat in the Bar" - die tägliche Gesprächsrunde mit den K-AKTUELL-Chefredakteuren Markus Lüling (K-Profi) und Daniel Stricker (KI). Zusammen mit Thorsten Kühmann, dem Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands KuG, sowie Guido Marschall von PlasTV wurde zusätzlich vor laufender Kamera aus dem VDMA-Pavillon vom Messegeschehen berichtet.

China: Vorboten einer neuen Ära


Im Vorjahr 2015 musste sich China viel mit sich selbst beschäftigen - das "neue Normal" der gesunkenen Wachstumsraten musste verstanden und verdaut werden. Im Jahr 2016 zeigte sich ein wesentliches Ergebnis des Nachdenkens. Chinesische Unternehmen gingen mit einer zuvor nie gekannten Aggressivität auf weltweite Akquisitionstour. Mit den stark gestiegenen Löhnen im Land kann China nicht mehr als Werkbank der Welt auftreten. Nun suchen die chinesischen Aufkäufer ihr Heil im Zugriff auf die modernsten und besten Technologien, der durch Unternehmensübernahmen gesichert werden soll.

Dabei stehen oft renommierte Markennamen im Mittelpunkt des Interesses, seien es deutsche wie KraussMaffei und Kuka oder US-amerikanische wie GE Appliances. Mit dem vereinfachten Marktzugang in China können auch etablierte und berühmte Marken noch wachsen, umgekehrt erhalten die chinesischen Konzerne Zugang zu den Weltmärkten.

Auf dem langen Weg seit dem Tod von Mao ist China damit wohl endgültig im globalen Kapitalismus angekommen. Dass sich dennoch einiges wohl auch nie ändern wird, zeigt das Video des staatlichen Radio China International. Motto: "Vertraut der Führung, ihre Pläne werden alles zum Besseren wenden".
Veröffentlicht von Radio China International, vormals Radio Peking, dem staatlichen Auslandsrundfunk der Volksrepublik China.

Marine Litter: Ein Fall für die Welt


"Im Jahr 2025 wird auf 3 t Fisch in den Meeren 1 t Kunststoff kommen. 2050 wird es bereits mehr Kunststoff als Fische geben." Diese Prognose traf die Welt wie ein Blitz, als während des Weltwirtschaftsforums in Davos eine neue Studie über die Kunststoffbranche veröffentlicht wurde. Das Problem an sich ist nicht neu, doch hat die Kunststoffindustrie in diesem Jahr erstmals in großem Umfang Initiativen angestoßen, die den Eintrag von Kunststoffteilen in die Ozeane reduzieren helfen sollen.

Im März trafen sich führende Manager aus der Industrie in Brüssel zur jährlichen "Polytalk"-Konferenz. Sie diskutierten Lösungen zur Vermeidung von Granulatverlusten, die Unterstützung von Säuberungsaktionen sowie eine generelle Neuausrichtung in Bezug auf den Umweltaspekt.

Im Verlauf des Jahres hat KI einige exklusive Gespräche mit hochrangigen Vertretern des World Plastics Council geführt, der den Kampf gegen den Meeresmüll leitet und dessen Mitglieder 75 Prozent der weltweiten Kunststofferzeugung auf sich vereinen.

Von Saudi-Arabien bis China, von Deutschland bis in die USA haben die großen Verbände und Produzenten ihre Anstrengungen verstärkt. Während der Messe "K 2016" hielt der WPC seine erste Pressekonferenz zu dem vorgesehenen Aktionsplan für die überall sichtbare Verschmutzung der Meere.

2016 wird als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem die Industrie sich offen und unumkehrbar dazu bekannte, an der Lösung eines der drängendsten Probleme unserer Zeit mitzuhelfen.

Tragetaschen: "Jute statt Plastik"?


Dieser Slogan aus den 80er Jahren im Kampf gegen die Wegwerfmentalität wurde reaktiviert - mit Papier und Baumwolle, die als "hip" und "ökologisch vorteilhaft" gelten. Die EU-Mitgliedstaaten sollen schließlich dafür sorgen, dass der Gebrauch von Plastiktüten drastisch reduziert wird. Dieser Aufgabe haben sich viele Länder in diesem Jahr gestellt, mit freiwilligen Selbstverpflichtungen, Entgeltregelungen und Verboten. Auch außerhalb der EU werden "Plastic Bag Bans" immer populärer.

Zahlreiche Einzelhandelsketten nahmen Kunststoff-Tragetaschen aus dem Angebot (Foto: Rewe)
Handschlag für weniger Tüten: Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und HDE-Präsident Josef Sanktjohanser (Foto: BMUB/Sascha Hilgers)
Schlangenbeschwörer in Marrakesch (Foto: Hans Peter Schaefer)
In Deutschland kündigte im Juni Supermarktmulti Rewe an, ab sofort keine Kunststofftragetaschen mehr in den mehr als 3.000 Märkten zu verkaufen - stattdessen gibt es nur noch Stoff- und Papierbeutel. Lidl folgte im September mit der Kampfansage gegen Plastiktüten: ab Frühjahr 2017 werden sie komplett aus den 3.200 deutschen Filialen verbannt, ebenso bei Lidl Österreich und Schweiz.

Man wolle "den Müllberg achtlos weggeworfener Tüten reduzieren", so die Lidl-Geschäftsleitung. Und in einem Jahr rund 3.500 t Kunststoff einsparen. Nach Rewe und Lidl folgte der Textildiscounter KiK der Maßnahme.
Die meisten deutschen Einzelhändler haben nach der freiwilligen Selbstverpflichtung des Handelsverbands Deutschland (HDE) im April beschlossen, für die Plastiktüten Geld zu verlangen. Bei C&A, H&M, Karstadt und Tchibo wird dafür zwischen 5 und 30 Cent verlangt.

Was die einen als Sieg gegen die "Plastikflut" feiern, bringt Vertreter der Kunststoffbranche auf die Barrikaden. Denn ein ehrlicher Ökobilanz-Vergleich unter Einbezug von Energie-, Wasser- und Pestizidverbrauch bei der Herstellung zeigt, dass sowohl Papier- als auch Stofftaschen nicht besser abschneiden als ordnungsgemäß entsorgte Mehrfach-Kunststofftragetaschen.
Auch Marokko hat im Vorfeld des Klimagipfels angekündigt, man werde Herstellung, Import, Export, Verkauf und Verwendung von Plastiktüten "konsequent verbieten". Als "tiefen Einschnitt für Industrie und Gesellschaft" bezeichnete Marokkos Industrieminister Moulay Hafid Elalamy die geplante Umsetzung des neuen Gesetzes. Marokko ist nach den USA der größte Plastiktüten-Verbraucher weltweit: derzeit rund 3 Mrd Stück pro Jahr; ein Pro-Kopf-Verbrauch von 900 Tüten.

Der Brexit-Schock


Am 23. Juni stimmten die Briten überraschend für den Austritt aus der EU. Premierministerin Theresa May will nun bis Ende März 2017 das Austrittsverfahren einleiten. Die Verhandlungen über die Modalitäten müssen zwei Jahren später abgeschlossen sein. Demnach würde der Ausstieg Anfang 2019 erfolgen.

Aktuell zeichnet sich ein "harter Brexit" ab, bei dem Großbritannien den freien Zugang zum EU-Binnenmarkt verlieren würde - für die 23,5 Mrd GBP schwere Kunststoffindustrie eine Horrorvorstellung.

Der Kunststoffverband British Plastics Federation fordert auch für die Zeit nach dem Brexit den freien Warenverkehr mit dem Kontinent. In die EU exportierte die britische Kunststoffindustrie 2015 Waren im Wert von 4,9 Mrd GBP - dies sind fast zwei Drittel ihrer Gesamtausfuhren. Zudem ist die Branche stark auf Rohstoffimporte angewiesen. Die Einführung von Zöllen wäre Gift.

Probleme drohen den Unternehmen auch auf Personalseite. Beschränkungen für den freien Zugang von EU-Arbeitskräften würden den ohnehin schon akuten Fachkräftemangel der britischen Kunststoffindustrie verschärfen. Die 5.200 Branchenbetriebe beschäftigen aktuell 170.000 Arbeitnehmer, davon 18.000 aus EU-Ländern.

Rohstoffe: Blasen zur Jagd


Im Frühjahr zitterten viele zunächst: Wird sich die Unterversorgung des Marktes mit der folgenden Preisexplosion wiederholen, lautete die bange Frage. Die klare Antwort - "Nein!" - schälte sich jedoch bald heraus.

Mit jedem folgenden Monat wuchs die Zuversicht der Abnehmer. Zunehmend mussten sich die Anbieter auf die Verteidigung der im Vorjahr gewonnen neuen Margenhöhen konzentrieren. Ab der Jahresmitte spätestens begann aber der Verfall, bei PE ist zum Jahresende teils bereits wieder der Stand von Februar 2015 erreicht.

Ethangas-Tanker auf dem Weg nach Europa (Foto: Ineos)
Zum Leidwesen der europäischen Erzeuger manifestierte sich die seit langem prognostizierte Schwemme an Niederdruck-PE (LLD/HD) aus den vielen neuen Produktionen in der Welt erstmals mit Nachdruck. Das zog deren Notierungen unweigerlich nach unten.

Im November überflügelten die Preise für PE-LD nach längerer Zeit wieder einmal sogar die der höherwertigen C6-LLD aus europäischer Produktion.

Bei PP war dagegen in der zweiten Jahreshälfte eine leicht gegenläufige Tendenz zu beobachten. Allerdings kamen die Notierungen hier aus dem tiefen Keller, in den das Propylen in den ersten Monaten gefallen war. Selten war der Abstand des C3 zum Ethylen so groß wie in diesem Jahr.
Derweil rüstet sich bei Polyethylen alles für den bald kommenden Schub aus der Shale Gas-Revolution in den USA. In allen Teilen der Welt bauen Konzerne neue Tanker, um in ihren Regionen mit dem billigen US-Ethangas Ethylen und daraus PE zu produzieren. Zugleich schaffen die großen Petrochemie-Cluster in den USA rund um Houston und New Orleans die logistischen Voraussetzungen, die Polymermengen aus den anstehenden Riesenanlagen zur Reise rund um den Erdball einschiffen zu können.
Bei den technischen Polymeren wurden ebenfalls einmal mehr die weltweiten Verschiebungen bei den Produktionskapazitäten spürbar. Der massive Aufbau von Caprolactam- und PA 6-Produktionen in China in den Vorjahren zog nun auch die Preise der Materialien in Europa nach unten. Ungekannte Gefühle schütteln die hiesigen Erzeuger, deren lange Zeit so haltbaren Eingrenzungen durch die Listen-Zäune immer stärker aufweichen. Im neuen Jahr wird nun zur Jagd geblasen, die Preise sollen wieder steigen.

TDI: Isocyanat im Höhenflug


Schwindelerregende Höhen hat der Preis für Toluoldiisocyanat (TDI) 2016 erreicht. Zwischen März und November stieg die Notierung scheinbar unaufhaltsam von gut 1.800 auf über 2.600 EUR/t. In manchen Monaten betrug der Aufschlag allein 200 EUR/t.

Dennoch war zur Jahresmitte noch kein wirklicher Materialengpass zu sehen. Denn obwohl Abnehmer fast verzweifelt versuchten, notwendige Mengen zu sichern, konnten in der PUR-Verarbeitung alle Aufträge normal abgearbeitet werden. Dennoch sorgte die allgemein aufgeheizte Stimmung für wilde Fluktuationen. Erst etwas später im Jahr kamen tatsächliche Anlagenprobleme hinzu, unter anderem in den europäischen TDI- und MDI-Anlagen von Covestro durch den Produktionsausfall bei einem Lieferanten für Salpetersäure.

Zur Linderung der abhebenden Preise wurde auf die Mengen aus der neuen BASF-Anlage für das Polyurethan-Vorprodukt gewartet. Die Linie in Ludwigshafen musste nach diversen Schwierigkeiten beim Anfahren zuletzt wegen eines technischen Defekts erneut abgestellt werden. Wann die Linie wieder Mengen in kommerziellem Umfang wird produzieren können, ist nicht klar. In diesem Jahr dürfte das kaum zu schaffen sein, denn nach vollzogener Reparatur muss die Anlage mit einer Kapazität von 300.000 jato von den zuständigen Behörden überprüft werden.

USA: Changing Times


Amerika befindet sich im Umbruch. Durch die Shale Gas-Revolution verschieben sich die Gewichte in der Petrochemie nachhaltig. In den USA entstehen gigantische PE-Kapazitäten, mit entsprechend düsteren Aussichten für die Produktion in Europa.

Zu den wirtschaftlichen Umwälzungen gesellte sich im Herbst noch ein politisches Erdbeben. Die Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA hinterlässt diesseits des Atlantiks ein großes Maß an Unsicherheit - nicht zuletzt aufgrund der vielen protektionistischen Äußerungen des designierten Staatschefs.

Trumps Programm mangelt es bislang an klaren Konturen. Seinen Wahlkampfauftritten war aber klar zu entnehmen, dass er eine protektionistische Wirtschaftspolitik ansteuert. "America first", so die Devise. Trump forderte von US-Konzernen die Rückverlagerung von Fertigungsprozessen in die USA sowie höhere Zölle für Länder wie China.

"Amerikanische Autos auf amerikanischen Straßen, amerikanische Flugzeuge verbinden unsere Städte, amerikanische Schiffe fahren auf dem Meer", lautete das Credo des Immobilienmilliardärs - schlechte Karten für Freihandelsabkommen wie TPP und TTIP. Nähere Details erhoffen sich Experten von Trumps Antrittsrede im Januar.
In Nordamerika steht bei Großprojekten in der C2-Strecke 2017 eine erste Welle von Inbetriebnahmen an. Bis Jahresende wollen ExxonMobil, Dow, ChevronPhillips, Formosa Plastics und Sasol Ineos rund 4,5 Mio jato neue PE-Kapazitäten an der Südküste der USA - vorrangig in Texas - online bringen. Bis 2020 folgen weitere Anlagen mit noch einmal mehr als 4,5 Mio jato, womit die Gesamtkapazität allein in den USA auf 25 Mio jato anwächst, in ganz Nordamerika auf mehr als 31 Mio jato.

Für die rund 300 Mrd USD schwere US-Kunststoffindustrie sind damit steigende Wachstumsraten vorgezeichnet. Profitieren werden vor allem die Polymerproduktion mit einem Umsatzwert von zuletzt (2015) 72 Mrd USD sowie der Export von Kunststoffen, dessen Volumen sich auf 32,4 Mrd USD belief.
My video

Iran: Zurück auf der Weltbühne


Für Aufsehen sorgte die Rückkehr des Iran auf die offene Bühne der Weltwirtschaft, nachdem die langjährigen Wirtschaftssanktionen aufgehoben worden waren. Die deutschsprachigen Kunststoffmaschinenbauer wittern in Anknüpfung an vorübergehend verborgen schlummernde Netzwerke gute Geschäfte in dem mit mehr als 77 Mio Einwohnern sehr großen und traditionsreichen Industriemarkt. Sicher nicht zu Unrecht, wie die Iranplast im Frühjahr zeigte. Deutsche und europäische Verarbeiter wiederum erhofften sich die Rückkehr iranischer PE-Mengen auf den hiesigen Markt, um die extremen Engpässe des Vorjahrs künftig umschiffen zu können.

Aber nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Zwar verkünden die iranischen Nachrichtenagenturen jede Woche neue Investitionen und Projekte, meist jedoch handelt es sich um erste Absichtserklärungen. Öl allerdings wird bereits geliefert, so viel ist klar. Aber noch gibt es vielerlei Behinderungen in der Petrochemie und anderen Sektoren. Amerikanische Banken agieren - gelinde gesprochen - sehr vorsichtig im Umgang mit dem Iran, die Anlagentechnik ist oft veraltet und wird einige Jahre benötigen, um wieder auf Vordermann gebracht zu werden. Auffällig war in diesem Jahr auch eine ganze Kette von Explosionen und Großbränden in der iranischen Petrochemie. Die Gründe dafür bleiben unklar. Sicher ist, dass der Iran auch 2017 ein "heißes Eisen" sein wird.

Automobilbau: David gegen Goliath


Kaum ein anderer Vorfall prägte das Jahr so wie der Streit zwischen Volkswagen und seinem Sitzbezug-Zulieferer Prevent. Nicht die Maut und nicht die Elektromobilität. Ein Tabubruch und zudem ein Kampf wie der von David gegen Goliath - mit ähnlichem Ende.

Die Folgen des Krachs werden die Branche allerdings wohl noch eine ganze Weile beschäftigen. Denn in den seltenen Fällen in der Vergangenheit waren "irreparable Schäden in der Beziehung" die Folge und manchmal auch die Pleite. Ähnliches erwarten manche Zulieferer auch für Prevent. "Diese Firma wird nie wieder Aufträge von irgendeinem Fahrzeughersteller bekommen", so eine der Meinungen aus der Branche.

Andererseits: Wenn die Wolfsburger den Streit gezielt eingesetzt haben, um zu kaschieren, dass der Absatz nicht so läuft, wie man sich das vorstellt, dann ist das Vertrauen in der Tat beschädigt - allerdings in der anderen Richtung.

Seit Ignacio Lopez in den 90ern als Chefeinkäufer festzurrte, dass es der Automobilbauer ist, der vorgibt, was, wie, wo, wann und für welchen Preis gemacht wird, ist das System zementiert. Nach Rasenmähermethode müssen die Zulieferer meist pro Jahr rund 2 Prozent einsparen. Und bis Prevent traute sich niemand ernsthaft gegenzuhalten, da steht die Angst vor Auftragsverlust vor. Dass Zulieferer sich nicht gegen die übermächtigen Auftraggeber zusammenrotten wie weiland die Arbeiter zu Gewerkschaften, das wiederum verhindern die Marktmechanismen.

Recycling: Eine Branche im Um- und Aufschwung


Zu Beginn des Jahres war die Nachfrage nach Kunststoff-Rezyklaten trotz des Ölpreisverfalls noch überwiegend gut. Insbesondere Anbieter höherwertiger Qualitäten meldeten eine zunehmende Ordertätigkeit. Im Jahresverlauf spitzte sich die Lage jedoch zu und der Druck auf die Anbieter von Sekundärmaterialien erhöhte sich. Zudem wurden die Rufe nach höheren Verwertungsquoten lauter. Inzwischen ist der Sekundärrohstoffmarkt als zukunftsweisende Rohstoffquelle europaweit Top-Thema - auch für die Erzeuger. Prominentes Beispiel war die Übernahme des Recyclers mtm plastics durch Borealis.

Kein Müll, sondern Rohstoff (Foto: DSD)
PRE-Präsident Ton Emans (Foto: PRE)
Schwierig zu entsorgen: EPS mit HBCD als Flammschutzmittel (Foto: IVH)
Im Juni präsentierte der Verband Plastics Recyclers Europe (PRE) das Strategiepapier "Plastics Recyclers Europe: 20 years later and the way forward - Making more from plastics waste". Darin relativiert Präsident Ton Emans den "Quantensprung", der während der letzten 20 Jahre in Europa erreicht worden sei. "Mit nur 26,3 Prozent Recyclingquote und immer noch viel höheren Anteilen von Deponierung und Verbrennung können wir uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen", sagte er.

Niedrige Neumaterial-Preise sieht PRE als eines der Probleme für ein stärkeres Recycling von Kunststoffen. Gesunkene Abfallexporte nach China hätten den Druck etwas abgefangen, wie Emans erklärte, dennoch spricht sich der Verband für die Notwendigkeit besserer und effizienterer Sortiertechnologien für Kunststoffabfälle aus. Zudem müsse der Sekundärrohstoffmarkt als neue und zukunftsweisende Rohstoffquelle gefördert und ausgebaut werden.
Im Spätsommer kam es in Deutschland zu ernsten Engpässen bei der Entsorgung von EPS-Gewerbeabfällen. Dämmstoffe mit dem Flammschutz HBCD wurden ab dem 30. September 2016 als gefährlicher Abfall eingestuft und durften künftig nur noch in Müllverbrennungsanlagen mit entsprechender Zulassung verwertet werden, von denen es nur wenige gibt. Mehrere Bundesländer bringen derzeit im Bundesrat einen Änderungsantrag für die Abfallverzeichnisverordnung ein, mit der die Einstufung von EPS rückgängig gemacht werden soll.
"Der deutsche Markt für Sekundärkunststoffe hat enormes Wachstumspotenzial, sofern bestehende Fehlanreize korrigiert und höhere Quotenvorgaben etabliert werden." Das ist das Ergebnis zweier Studien von RWI und Öko-Institut aus diesem Jahr. Verschiedene Prognosen sehen den Marktwert für Kunststoffrezyklate von heute 189 Mio EUR bis 2030 auf mehr als 1 Mrd EUR ansteigen.

Kreislaufwirtschaft: Ein steiniger Weg für die Industrie


Das Ende 2015 von der EU-Kommission vorgestellte Paket zur "Circular Economy" war auch in diesem Jahr zentrales Thema der europäischen Kunststoffindustrie. Einig ist man sich, dass der Übergang von der Linear- zur Kreislaufwirtschaft neben ökologischen auch ökonomische Chancen birgt. Dennoch steht die Branche erst am Anfang. Ein wichtiger Schritt war die im September von den führenden europäischen Kunststoffverbänden vorgelegte gemeinsame Stellungnahme. Hauptforderung: "Zero plastics to landfill 2025"!

Neu war in diesem Jahr die Bündelung der Standpunkte in einem Strategiepapier. PlasticsEurope, EuPC und Plastics Recyclers Europe (PRE) gaben gemeinsam Empfehlungen für die Schaffung einer "wahrhaftig europäischen Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe". Argumentiert wurde, mit über 62.000 Unternehmen, rund 1,4 Mio Arbeitsplätzen und einem Beitrag von jährlich etwa 6 Mrd EUR für die öffentlichen Finanzen innerhalb der EU sei die Kunststoffindustrie ein wichtiger Akteur.

Außerdem schufen die drei Dachverbände im Oktober die "Polyolefin Circular Economy Platform", um die Recyclingaktivitäten für Kunststoffe in Europa stärker zu fördern. Gemeinsam will man die gesamte Wertschöpfungskette dabei unterstützen, die EU-Ziele von 55 Prozent Recyclingquote für Verpackungen bis 2025 zu erfüllen.
Gemeinsam mit Henkel gelang es Alpla Werke Alwin Lehner, mit einer nachhaltigen PE-HD-Verpackung in Richtung Kreislaufwirtschaft einen Schritt weiterzukommen. Nach zweijähriger Entwicklungsarbeit wurden im Oktober im Rahmen des Pilotprojekts am deutschen Standort Holthausen erstmals 60.000 Flaschen für Waschmittel mit einem 15-prozentigen PE-Rezyklat-Anteil hergestellt.

Alpla-CCO Nicolas Lehner sieht beim Thema Circular Economy noch große Herausforderungen. "Aktuelle Zahlen zeigen, dass Europa derzeit noch weit von den ambitionierten Zielen entfernt ist. Der Druck wird sich in den kommenden Jahren erhöhen."
My video

BASF-Unglück: "Wir leben, leiden und trauern miteinander."


Der 17. Oktober 2016 war ein schwarzer Tag für das Chemieunternehmen. Bei einer Explosion in Ludwigshafen starben letztendlich vier Menschen, viele weitere wurden verletzt. "Ich bin zutiefst betroffen", sagte Vorstandschef Kurt Bock. "Die ganze BASF trauert."

Seit 1976 ist der BASF-Landeshafen Nord in Ludwigshafen Umschlagplatz für brennbare Flüssigkeiten wie Naphtha oder Methanol. Der Hafen dient der BASF zur Rohstoffversorgung: Die etwa 50 verschiedenen umgeschlagenen Produkte werden direkt vom Schiff über Rohrleitungen in das angrenzende Tanklager geleitet. (Foto: BASF)