Jahresrückblick 2019

Wo bleibt unser Alexander?


Ein paar Tage noch, dann können wir wieder die bösen Geister vertreiben oder einfach des würzigen Schwarzpulvergeruchs wegen in der Gegend herumballern. Sekt trinken und die vergangenen zwölf Monate für einen oder zwei Augenblicke voller Inbrunst hintanstellen. Die Monate, die uns weitere Handelsstreitigkeiten zwischen zwei störrischen alten Alphatieren serviert haben, eine großartige Düsseldorfer Kunststoffmesse und jede Menge rote Zahlen – sofern man Automobilzulieferer ist.

Gleichzeitig forderte die Öffentlichkeit in Person etlicher Umwelt- und Naturschutzorganisationen vehement das ein, was ihr in den letzten Jahrzehnten von Industrie, Politik und Lobbyismus vorenthalten wurde. Ein Mitspracherecht daran, wo es längs gehen soll in Zukunft, nicht nur mit Kunststoffen und Autos.

Derweil fragen sich hie Verarbeiter, woher sie die vorgeschriebenen Mengen an Rezyklaten nehmen sollen und wird da auf Teufel komm‘ raus recycelt – derzeit weitgehend unabhängig von einer Antwort auf die Frage, ob ökonomisch oder ökologisch sinnvoll oder eher bar desselben.

Lehnen wir uns also zurück, nippen am Champagner und betrachten den Wettstreit Greenwashing vs Plastic bashing. Bis sich beim Aufwachen der Kater meldet. Angesichts all dessen könnte man fast versucht sein, nach dem großen Alexander zu rufen, auf dass er den gordischen Knoten durchtrenne.

Fröhliche Lektüre beim Rückblick aufs Jahr 2019 wünscht Ihre KI-Redaktion.

Die PE-Schwemme aus den USA hat begonnen


Es ist ja so eine Sache mit Prognosen. Als vor gut zehn Jahren die PE-Schwemme aus dem arabischen Raum an die Wand gemalt wurde, hielten einige in den Jahren darauf vergeblich nach dem angekündigten Tsunami Ausschau. Deshalb gab es auch Skeptiker, die eine Mengenflut aus den neuen Produktionsanlagen der Shale-Revolution in den USA bezweifelten.

Aber wie die Zunahme der arabischen Mengen – die mittlerweile längst als selbstverständlicher Teil des Marktes angesehen werden – läuft auch die aus den USA nicht überfallartig. Doch steigen Monat für Monat, Tonne um Tonne die PE-Lieferungen aus den USA in die EU.

Im Jahr 2019 nun sind sie wahrnehmbar angewachsen – sowohl in den Handelsmärkten als auch in den Statistiken. Das Wasser reicht nun schon bis zu den Knöcheln. Es wird weiter steigen. Und gegen Ende des Jahres tauchte die nächste Flutwelle am Horizont auf. Sie wird aus nordöstlicher Richtung über die Ostsee kommen, aus dem russischen Baltikum.

„Ein schlechter Handel, wo niemand gewinnt“


Gespräche zwischen China und den USA beherrschten 2019 weiterhin die Schlagzeilen, mit einigen zusätzlichen Eskalationsrunden bei Zöllen und auch Auswirkungen auf die Kunststoffversorgungskette. Der bilaterale Handel zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt schrumpfte in der Folge.

Europa zeigte sich im Vergleich zu einigen anderen Regionen etwas widerstandsfähiger, die Auswirkungen auf die Industrie blieben noch moderat. Mitte Dezember könnte Peking allerdings zusätzliche Zölle auf US-Produkte erheben. Die bisherige Liste enthält neben Kunststoffwaren bereits eine Reihe von Polymeren wie PE, PP, EPS, PVC und PUR.

Auch die Unsicherheit über die Folgen des Brexit wurde mit der jüngsten Fristverlängerung der EU für das Vereinigte Königreich weiter hinausgeschoben. Gleichzeitig spürte die gesamte Weltwirtschaft die Auswirkungen des Handelsstreits und der Krise im Automobilbau. Damit scheint kurz vor den Weihnachtsferien eine rasche wirtschaftliche Erholung im Jahr 2020 unwahrscheinlicher denn je.

Es ist noch nicht überstanden


Für den Automobilbau dürfte das Jahr eines der schwereren gewesen sein. Ein ums andere Mal wurden Prognosen gekippt, Hoffnungen begraben. Um 5 Prozent, so die Erwartungen zur Jahresmitte, sollte der Pkw-Absatz weltweit zurückgehen. Ob die Zahl zu halten ist, werden die kommenden Wochen zeigen.

Inzwischen ist die Flaute nicht nur in Deutschland angekommen, sondern greift gierig um sich. Verluste, Werksschließungen und Stellenabbau begleiten uns spätestens seit Jahresmitte, jetzt streichen die Autobauer mit dickem Rotstift Arbeitsplätze, zuletzt Daimler. Unter diesen Vorzeichen ist auch die Fusion von Fiat Chrysler mit PSA Peugeot Citroën zu sehen: Zwei Fußkranke wollen zum Leistungssportler werden.

Druck bekam die Autobranche auch in der öffentlichen Wahrnehmung, plakativ zu sehen während der IAA in Frankfurt. Greenpeace demonstrierte mit schwarzem CO2-Riesenballon und Monstertruck mitten vor der Festhalle, Klimaschützer setzten den VDA schwer unter Druck. Die Kernschmelze bei Ausstellern und Besuchern der großen Automobilmesse hat Folgen: Ein neues Konzept soll her und am besten auch ein neuer Ausstellungsort. Neben Berlin und Frankfurt haben sich bisher Hamburg, Köln, Stuttgart und München beworben.

Plastikverbote weltweit


Einweggeschirr, Strohhalme und Wattestäbchen aus Kunststoff – all das ist ab 2021 EU-weit verboten. Außerdem verlangt die im Mai beschlossene Einwegplastik-Richtlinie für Einweg-Getränkeflaschen bis 2025 einen Rezyklatanteil von 25 Prozent, bis 2030 mindestens 30 Prozent.

Industrieverbände kritisieren das Vorgehen in Brüssel und fordern alternative Lösungen gegen die Müllkrise. Der italienische Ansatz einer Verpackungssteuer sorgt für geschlossene Empörung in der Branche, das Plastiktütenverbot in Deutschland gilt hingegen als reine Symbolpolitik.

Einschränkungen und Verbote von Kunststoffartikeln sind weltweit populär wie nie zuvor – auf eine verbindliche UN-Konvention zu Plastikmüll konnte sich die Staatengemeinschaft im März jedoch nicht einigen.

Erfolge im Kampf gegen problematische Kunststoffverpackungen zeigt derweil im Oktober der Bericht der Ellen MacArthur „New Plastics Economy Global Commitment“-Initiative.

Ab 2021 dürfen in den EU-Mitgliedsstaaten keine Strohhalme aus Kunststoff mehr verwendet werden (Foto: KI)

Vorrang für Recycling


Konsumgüterkonzerne wie Unilever, Nestlé und Procter & Gamble haben sich auf die Fahnen geschrieben, den Einsatz von Kunststoff-Neuware zu senken und so ihren CO2-Fußabdruck zu verbessern. Derzeit drehen sich viele dieser Initiativen um den Rezyklateinsatz bei Verpackungen. Aber die Akteure der Kunststoffindustrie gehen davon aus, dass der CO2-Ansatz in Zukunft auch auf andere Kunststoffprodukte ausgeweitet werden könnte – sei es durch staatliche Vorgaben oder kundenseitige Impulse.

Vor diesem Hintergrund haben zahlreiche Erzeuger und Verarbeiter ihr Engagement in Sachen Recycling intensiviert. Dies führte zu vermehrten Übernahmen von Recyclingbetrieben und Kapazitätserweiterungen.

Zusätzliche Dynamik erfuhren aber auch viele Forschungsprojekte, insbesondere für das chemische Recycling von Polyestern, Polystyrol und gemischten Kunststoffabfällen. Diverse Pilotanlagen sollen den Weg für eine breitere Nutzung ebnen.

Neu polymerisiertes Polystyrol (Foto: Ineos Styrolution)

K 2019: Skepsis weicht Erleichterung


Handelskonflikte, Brexit, schwache bis negative Wachstumsraten in wichtigen Abnehmerbranchen wie dem Automobilbau und nicht zuletzt der große öffentliche Druck wegen der Abfallkrise: Die Vorzeichen zur Messe „K 2019" hätten schlechter kaum sein können. Entsprechend groß war die Skepsis bei Kunststofferzeugern und -verarbeitern vor dem Düsseldorfer Branchentreffen.

Doch letztlich bestätigte sich keine der Befürchtungen. Rund 225.000 Besucher kamen im Oktober an den Niederrhein, eine Zahl, die fast auf Augenhöhe mit jener aus dem Jahr 2016 liegt. Es waren deutlich mehr internationale Besucher – insbesondere aus Asien –, die die Stände von insgesamt 3.333 Unternehmen sehen wollten.

Und so war Düsseldorf „Mutmacher in unübersichtlichen Zeiten", wie die tagesaktuelle Messezeitung K-AKTUELL der KI Group am letzten Messetag titelte.

Zwischendurch trafen sich zum täglichen „Tresengespräch" K-AKTUELL-Chefredakteur Markus Lüling (K-PROFI) und Guido Marschall von PlasTV am Arburg-Stand. Bei einem erfrischenden Bier besprachen sie ganz aktuell und live die Messetage. Zum Ausklang stieß auch Arburg-Geschäftsführer Gerhard Böhm zu ihnen. Hier finden Sie Links zu allen Videos zum Nach-Sehen.

 

Heureka!


Wir haben es (fast) geschafft, dieses unsägliche Jahr 2019 voller Hürden, Hindernisse, Höhepunkte. Hoffentlich waren Sie mit uns zufrieden, oder vielmehr mit unseren Informationen in den vergangenen 12 Monaten. Ziemlich genau 2.410 Artikel wird die KI-Redaktion für Sie in den zurückliegenden 51 Wochen recherchiert und geschrieben haben. Davon mehr als 1.200 Berichte über Unternehmen, 338 Preisberichte und 207 Marktüberblicke – von der Automobilkrise über den immer noch andauernden Handelskrieg zwischen den USA und China bis hin zur Weltleitmesse „K 2019”.

Hinzu kommen 2 Konjunkturumfragen, 310 Grafiken und ungezählte Fotos. 51 Glossen, mit denen wir Sie vielleicht das eine oder andere Mal aus dem alltäglichen Trott reißen konnten, waren ebenso dabei wie 7 Interviews und 6 Kommentare. Die 338 Preisberichte verteilen sich übrigens auf nun sage und schreibe 93 Thermo- und Duroplast-Typen, Rezyklate, Verstärkungsmaterialien und PUR. Und vergessen wir nicht die Berichterstattung vor, während und nach der Weltleitmesse „K 2019”, bei der die Kollegen unserer Schwesterpublikation K-PROFI im Oktober geradezu Erstaunliches geleistet haben. Sie zeichnen auch verantwortlich für die 67 spannenden Fachartikel in den 8 gedruckten Heften dieses Jahres.

Wir sehen uns wieder im Jahr 2020, dem Jahr der Ratte – nach chinesischer Lesart. Doch zuvor wünschen wir Ihnen für Weihnachtszeit und Jahreswechsel alles Gute. 

Ihr KI-Team